Siebecks Sommerseminar 2006 – Einfach rührend

Im letzten Teil seines Sommerseminars für Kochanfänger verrät Wolfram Siebeck, wie sich mit einfachen Zutaten ein guter Kuchen backen lässt

Es existieren Lehrbücher, die versprechen »Englisch in sechs Wochen«. Das ist schnell. »Faltenlos in vierzehn Tagen« ist noch schneller. Den Geschwindigkeitsrekord halten aber Diätbücher. »Zwei Kilo weniger pro Woche!«, prophezeien manche Autoren den Käufern ihrer Bücher. Das wären 16 Kilo in acht Wochen.

Acht Wochen sind keine Ewigkeit. Ich weiß nicht, ob meine neuen Leser in den letzten acht Wochen aus meinem Seminar der Anfänge so viel gelernt haben, dass sie an Gewicht zugenommen haben.

Heute sind wir jedenfalls bei der letzten Folge des Sommerseminars 2006 angekommen. Von Zeit zu Zeit aber werde ich an dieser Stelle weitere Lektionen veröffentlichen, die sich mit den Grundlagen des Kochens befassen; einer Art zu kochen, die man früher abwertend »die bürgerliche Küche« nannte, weil sie den »künstlerischen Impetus« vermissen ließ.

Darunter versteht man den Drang, die Kochkunst zu aktivieren und ihre Grenzen auszuweiten, wenn nicht gar zu ignorieren. Dafür zuständig sind die Kochkünstler, also professionelle Schaumschläger, und ihre amateurhaften Epigonen, die Hobbyköche. Sie machen manchmal erstaunliche Entdeckungen und verfügen im Allgemeinen über tolle technische Fähigkeiten. Sie sind Ausnahmen. Wir Laien, auch wenn wir fortgeschrittene Laien sind, streben keine Kunststücke an. Wir richten uns nach den Qualitätskriterien anspruchsvoller Esser. Das heißt, wir suchen beste Produkte, und bei den Aromen darf es auch schon mal extravagant schmecken.

Als Beispiel nenne ich die in den letzten Jahrzehnten durch diese Kolumne populär gewordenen Zutaten wie Schalotten, Crème fraîche, die petrolfarbenen Linsen aus Puy, den Ingwer, die Schokolade in der Sauce, Morcheln und vieles andere, was quasi klammheimlich die Kochmethoden und Esssitten vieler Leser verändert hat. Luxusprodukte wie Kaviar und Trüffel haben dabei kaum eine Rolle gespielt, und so wird es auch bleiben. Am deutlichsten wurde dieses Prinzip der edlen Schlichtheit bei den Desserts. Da lag der Schwerpunkt unübersehbar auf Kuchen und süßen Crèmes. Und so soll es auch in dieser letzten Folge der neuen Anfänge sein.

Das Backen eines Kuchens ist für viele die einfachste Sache der Welt, weil es die benötigten Zutaten fertig gemischt zu kaufen gibt. Man verrührt sie nur mit etwas Wasser…

Genau das will ich verhindern. Diese vorgefertigten Dinge sind es ja, derentwegen unsere Esskultur so auf den Hund gekommen ist. Was dem Stadtbäcker und dem Kiezkonditor genügt, ist mir nicht gut genug. In meiner Küche herrscht das Gesetz der Manufaktur: Es wird alles mit der Hand gemacht. Dazu gehört beim Backen: kein Trockenei, kein Backpulver, keine Aromen aus dem Tropfglas, kein Vanillezucker und keine Margarine. Was aber hineinkommt in einen Kuchen, das kaufe ich im Bioladen. Das geschieht keineswegs, weil ich meine Gesundheit durch die vielen chemischen Zusätze bedroht fühle, sondern allein aus meiner Abneigung gegenüber der Verfälschung unserer natürlichen Produkte. Wer Lebensmittel aus Profitgier manipuliert, gehört vor Gericht und nicht in den Vorstand großer Konzerne. Dass wir trotz Biokost auf dieser Erde nicht gesund leben können, dafür sorgen Schurken, die für ihre Heldentaten auch noch belohnt werden.

Wer seinen Kuchen selber backt, verhält sich wie jemand, der sein Auto selber wäscht und poliert. Aber das wissen Generationen von Hausfrauen: Es geht nichts über selbst gemachte Mehlspeisen. Und zwar nicht nur wegen der im Zweifelsfall natürlicheren Zutaten, sondern auch wegen der Handarbeit.

Es gibt elektrische Rührmaschinen von hervorragender Qualität. Ich benütze sie nur selten. Denn die hohen Drehzahlen dieser Apparate wirken auf viele feuchte Mischungen weniger als ideal. Das beginnt beim Schlagen von Eiweiß und Schlagsahne und hat Einfluss auf das Gelingen von Schokoladencrèmes. Deshalb wurden die Kuchen und die Weihnachtsplätzchen der Uroma so besonders gut: weil sie alles mit der Hand machte. Also mit dem Schneebesen und mit einem Holzlöffel. Nein, das ist keine Zumutung! Und schon gar nicht bei Einzelstücken wie dem Mahlberger Schlosskuchen.

Man nehme bloß nicht: Aromen, Backpulver, Vanillezucker

Hierbei handelt es sich um einen trockenen Napfkuchen. Trocken heißt: ohne Crème oder Sahne, nicht aber, dass der Schlosskuchen zu jener Sorte Gebäck gehörte, die man ohne einen Schluck Kaffee oder Tee nicht runterkriegt. Ich verzichte auf beides gerne, wenn ich dafür eine Scheurebe Spätlese aus Ihringen trinken kann.

Der Witz dieses Kuchens ist das, was er außer Eiern und Mehl noch enthält. Doch wie bei den meisten Kuchen beginnt alles mit Eiern (6 ganze), Zucker (200 g) und Butter (400 g, zimmerwarm). Diese Grundlage wird so lange gerührt, bis sie schaumig wird. Bevor ich nun zum Mehl greife, kommen erst die feinen Zutaten an die Reihe: 200 g helle Rosinen (1 Stunde in warmem Wasser eingeweicht), 75 g grob gehackte Walnusskerne, je 100 g Orangeat und Zitronat; 100 g klein gehackte Halbbitterschokolade; die abgeriebene Schale einer unbehandelten Zitrone. Und Vanille. Dazu nimmt man eine Vanillestange, schlitzt sie auf und kratzt das Mark heraus. Das vermischt man mit 1 EL Zucker, denn ohne ihn würde es zusammenklumpen.

Das alles wird nun unter die schaumig geschlagene Eiermasse gerührt. Und jetzt erst siebe ich 400 g Mehl in die Masse, rühre und gebe eventuell ein wenig Milch dazu. Sodann streue ich 50 g gehobelte Mandeln in die gut ausgebutterte Napfkuchenform und gebe den Kuchenteig hinein. Die Form stelle ich in die untere Hälfte des Ofens, wo der Kuchen 1 Stunde bei 180 Grad backen muss. Dann lasse ich ihn abkühlen, bevor ich ihn aus der Form nehme. Jetzt müsste er hell-, aber nicht dunkelbraun sein. Ich wickle ihn in Alufolie und lasse ihn 2 bis 3 Tage durchziehen. Erst dann ist er perfekt. Nämlich saftig und voller Aromen.

Noch einfacher zu backen ist Barbaras Ingwerkuchen. Ich weiß nicht, ob er noch besser würde, wenn man ihn, wie den Mahlberger Schlosskuchen, einige Tage vor dem Verzehr ruhen ließe. Ich habe es nie übers Herz gebracht, so lange zu warten. Denn wegen des scharfen Ingwers verschönt er den Alltag des Weinbeißers. Dabei ist es kein Pfefferkuchen oder ein süßes Alibi für Alkoholiker. Es ist nur so, dass sich dieses Backwerk so wunderbar mit einem halbsüßen Wein verbindet. Beispielsweise mit einer Gewürztraminer Spätlese oder einem Riesling von J. J. Prüm.

Der Ingwerkuchen entsteht, indem 200 g sehr weiche Butter mit 3 ganzen Eiern und 1 Eigelb, 180 g Zucker und 200 g Mehl zu einem glatten Teig verrührt werden. Sodann werden 100 g grob gehackte, kandierte Ingwerwürfel untergemischt. Zusätzlich wird das 1 übrig gebliebene Eiweiß mit einer Prise Salz steif geschlagen und unter die Teigmasse gezogen. Das ist alles.

Diesen Kuchenteig fülle ich nun in eine passende Kastenform aus Aluminium oder Blech und stelle sie für 40 Minuten in den auf 190 Grad vorgeheizten Ofen. Wenn man bedenkt, dass der ganze Spaß gerade mal eine Stunde gedauert hat, frage ich mich, warum es nicht jeden Tag einen Ingwerkuchen gibt. Die Antwort: Weil noch viele andere, ähnlich köstliche Kuchen existieren, die ein herrliches Dessert abgeben, an dem sich alle freuen, ob sie dazu nun Wein, Tee oder Kaffee trinken. Davon später mehr.

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