Hobbyköche scheuen sich zumeist, einen Tintenfisch zu kochen. Dabei ist das ganz einfach
Gourmets und Küchenchefs sind sich darüber einig, dass die Fischküche eine Kategorie höher angesiedelt ist als die Küche der Fleischesser. Das bringt die Fischfreunde in einen moralischen Konflikt. Einerseits haben Ärzte ihnen versichert, dass Fische wesentlich gesünder seien als Fleisch. Andererseits trägt Fischessen dazu bei, dass der industrialisierte Fischfang die Meere leer fischt.
Aber wer von den Fischfans – ich gehöre zu ihnen – könnte einem saftigen Stück Steinbutt widerstehen, wer wüsste nicht, dass von den Austern über die Kraken bis zum Hummer das Meer nur Delikatessen für uns bereithält? Diese reichen vom Seewolf in der Salzkruste des Paul Bocuse über den rohen Tunfisch der Japaner bis zu den als Tintenfisch bekannten Meeresbewohnern.
Letztere flößen der Hausfrau eher Angst und Schrecken ein, anstatt ihren Ehrgeiz in Gang zu setzen. Dabei verschlingen wir sie im Urlaub kritiklos, auch wenn sie uns gummiartig frittiert oder als harter Salatbestandteil vorgesetzt werden. Aber so einen Tintenfisch in die Hand nehmen und ihn selbst zubereiten? Das überlassen wir lieber den Profis.
Doch das Geheimnis ihrer Zubereitung ist einzig und allein die Garzeit. Große Kraken (das sind die, welche aussehen, als hätten sie zum Frühstück Kapitän Nemo verspeist) werden in unseren Supermärkten erst gar nicht angeboten. Aber in den Hafenstädten des Südens erschrecken sie den flanierenden Touristen auf Schritt und Tritt.
Am wenigsten problematisch sind die Sepien (oder Kalmare oder encornets, wie sie an der Côte d’Azur heißen). Sie sehen aus wie Brillenetuis, aus denen etwas heraushängt. Die kann man auch bei uns kaufen, wenn auch fast nur als aufgetaute Tiefkühlware. Aber sie sind trotzdem nicht schlecht:
Zuerst reiße ich das Geschlunze aus der Hülle. Es sind die Tentakel mit dem Kopf sowie der kleine Magen. Damit beginnt die eigentliche Zubereitung der Kalmare: Sie werden unter fließendem Wasser gesäubert. Ausgenommen, gehäutet und gewaschen, verbergen sich in dem weißen Etui zwei durchsichtige Stäbchen, die müssen entfernt werden. Der Kopf mit den kleinen Saugarmen wird beiseite gelegt.
Nun schneide ich den weißen Teil in ca. 3 x 1 cm große Stücke. Die lege ich in eine Marinade aus 2/3 Olivenöl und 1/3 Zitronensaft. Aber nur so lange, bis ich die anderen Zutaten bereitgestellt habe. Mit Salz und zermörserten Chilischoten (eine für 2 Portionen) würze ich schon jetzt. Dann werfe ich alles in eine trockene, heiße Pfanne. Während ich die köchelnden Tintenfischstücke mit dem Holzlöffel daran hindere, anzubrennen, kann ich nicht widerstehen, einige Dummheiten zu begehen, indem ich ein Würzabenteuer beginne.
Als Erstes mische ich eine Messerspitze Safranpulver unter die zerstückelten Kalmare (was eigentlich gar nicht so dumm ist), dann streue ich entkernte und gehackte grüne Oliven dazu, gieße etwas sauren Wein an und probiere erst einmal. Encornets und alle Tintenfische, die noch kleiner sind, werden sehr schnell gar. Überzieht man die Garzeit, werden sie hart wie Gummi. Also sollten sie nach ungefähr 5 bis 10 Minuten (probieren, probieren!) vom Feuer genommen werden. Größere Kraken alias Pulpo, bei denen die Tentakel fingerdick sein können, vertragen eine Garzeit von einer Stunde. Bei ihnen kann ich mir mit dem Würzen Zeit lassen.
Die Kalmare aber muss man schnell garen und fertig würzen. Dazu kann auch 1 TL Pastis dienen und eine größere Menge Tomatenkonkassee. Das aber bitte erst in letzter Minute in den Topf geben! Die Tomatenstücke sollen nur heiß werden, nicht verkochen.
Wer Tintenfisch isst, glaubt, das Mittelmeer rauschen zu hören
Insgesamt ist dies ein sehr mediterranes Essen, rustikal und richtig lecker. Als passende Beilage dazu esse ich weiße Bohnen. Also getrocknete Bohnenkerne, die nicht über Nacht eingeweicht werden müssen, wenn sie relativ jung sind. Sie sind nach 2 Stunden gar. Das Kochwasser soll man nicht salzen, aber 2 Lorbeerblätter beigeben. Wenn die Bohnen gar und abgeschüttet auf den Tisch kommen, werden sie mit einem Guss Olivenöl und wenn nötig mit Meersalz verbessert. Dazu die vom Safran leicht gefärbten calmars – ah, es ist, als rauschte das Mittelmeer vor der Tür. Und ein gekühlter Rotwein aus dem Midi…
Nun weiß ich wohl, dass die Küche des Südens für viele Deutsche ohne Nudeln nicht komplett ist. Tatsächlich ist die Kombination von Meeresfrüchten, Tomaten und Spaghetti äußerst verführerisch. Und gottlob leicht herzustellen.
Die edelste Variante sind Spaghettini mit Hummer. Ich meine jedoch, dass Muscheln jeglicher Art besser schmecken. Nicht weil sie Muscheln sind und nicht weil ich gewöhnliche Spaghetti koche, sondern weil das feste Hummerfleisch immer eine raffinierte Sauce braucht, wenn es seine Feinheit zu erkennen geben soll. Muscheln sind rustikal und weniger anspruchsvoll. Also koche ich Muscheln. Ihre Existenz auf unseren Märkten ist nach wie vor Glücksache: Miesmuscheln gibt es fast immer, doch die kleineren Sorten sind delikater. Aber egal: Was ich kriege, wird gründlich gewaschen und gebürstet. Bereits geöffnete Muscheln gehören in den Müll. Der Rest wird in einen kräftigen Sud aus gehackten Zwiebeln, Weißwein und Zitrone geworfen. Mitkochen dürfen auch ein Zweig Dill, 1 TL Thymian, 1 Tasse gewürfeltes Tomatenfleisch und gehackter Knoblauch. 2 Chilischoten nicht vergessen! Nach ein paar Minuten öffnen die Muscheln ihre Schalen freiwillig. Das ist das Zeichen, dass sie gar sind. Ich nehme sie heraus und gieße den Sud durch ein Sieb. Er wird eingekocht und, wenn notwendig, mit Butter oder Olivenöl verfeinert. Die Muscheln werden aus ihren Schalen befreit und unter die heißen Spaghetti gemischt. Darüber gieße ich den Sud und stelle nach zehn Minuten fest, dass ich viel zu wenig gekocht habe. Meine Gäste sind bereit, mich für den größten Koch der Welt zu halten. Trotzdem serviere ich nur einen Weißburgunder aus dem Badischen.
Und hier eine ungewöhnliche Variante der Nudeln-und-Fisch-Kombination: Wieder beginnt alles mit den beliebten Spaghetti, aber der Fisch ist diesmal ein Räucheraal. In einer Pfanne setze ich würfelig geschnittenen, ziemlich fetten Bauchspeck auf und lasse ihn so weit ausbraten, dass sein Fett genügt, um das fein gehackte Grün von Frühlingszwiebeln weich zu braten. Davon 2 oder 3 EL. Und wenn das Grünzeug weich ist, gebe ich kleine Stücke des Räucheraals dazu. Der soll nicht ausbraten, gar ist er ja bereits, sondern nur heiß werden. Aber da er das Leitmotiv dieses Spaghettigerichts ist, sollten es nicht zu wenig Würfel sein. Die Mengen werden durch Augenmaß entschieden, je nachdem, ob ich für 2 oder für 6 Personen koche.
Trotz des kräftigen Rauchgeschmacks des Aals darf ich das Salz nicht vergessen, vom Pfeffer ganz zu schweigen. Der sollte, wie möglichst immer bei Nudelgerichten, schwarz und grob gemörsert sein.
Um die Schwierigkeit der Weinwahl zu umgehen, empfiehlt es sich, die Spaghetti mit Räucheraal sehr kräftig zu würzen. Dann schmeckt jeder Wein wunderbar, während bei einer subtilen Abwägung der jeweiligen Aromen ungewöhnliche Weinempfehlungen nötig wären.